Cyberbarocke F(R)iktionen: zwischen Analogen und Digitalen Kopplungsstellen
Marjan Colletti, 2008.
Das Schönste an der Disziplin der Architektur ist ihre Vielfaltigkeit: seit jeher, überall, für jeden, jedoch stets anders. Das Seltsamste daran ist, daß man am meisten Architekt ist wenn man nicht baut, sondern wenn man entwirft, also Ideen in Wort und Bild entwickelt, forscht, kommuniziert. Das Problematischste? Die Friktion (für Fachkundige) zwischen Bauindustrie und Architektur, und die Fiktion (für Aussensteher), daß beide Bereiche dasselbe seien.
Das Schönste an der Disziplin der Architektur ist ihre Vielfaltigkeit: seit jeher, überall, für jeden, jedoch stets anders. Das Seltsamste daran ist, daß man am meisten Architekt ist wenn man nicht baut, sondern wenn man entwirft, also Ideen in Wort und Bild entwickelt, forscht, kommuniziert. Das Problematischste? Die Friktion (für Fachkundige) zwischen Bauindustrie und Architektur, und die Fiktion (für Aussensteher), daß beide Bereiche dasselbe seien.
Deshalb sollten zeitgenössischen ArchitektInnen wiederum demiurgisch agieren. Architektur erfindet und schöpft nicht nur Dinge und Konzepte: Produkte; sondern ganze Welten von Bildern und Phenomänen. Dabei liegen Hybridität und Synthese sowohl analogem als auch digitalem Entwerfen zugrunde. So besteht die Notwendigkeit zur Vorstellung von Virtualität als Virtuosität. Vorstellung (Engl. performance) natürlich als Ausführung, als auch als Aufführung verstanden. Man soll „digital“ nicht „virtuell“, und „analog“ nicht „konservativ“ gleichstellen!
Die Fragestellung lautet, welche Kopplungsstellen jetzt zwischen wiederum analogen und digitalen Kopplungsstellen bestehen, und wie man analoge sowie digitale CAD (computer-aided design) und CAD/CAM (computer-aided design computer-aided manufacturing) Techniken verwenden kann um solche Paradigmen zwischen strukturellem und räumlichen Denken, zwischen Illusion und Manifestation, zwischen Sein und Schein zu überbrücken. Dabei vereint und vermittelt der deutsche Begriff „Technik“ die drei Unterbegriffe Technologie (Engl. technology), Technik (Engl. technics) und technisches Verfahren (Engl. technique).
Die Fragestellung lautet, welche Kopplungsstellen jetzt zwischen wiederum analogen und digitalen Kopplungsstellen bestehen, und wie man analoge sowie digitale CAD (computer-aided design) und CAD/CAM (computer-aided design computer-aided manufacturing) Techniken verwenden kann um solche Paradigmen zwischen strukturellem und räumlichen Denken, zwischen Illusion und Manifestation, zwischen Sein und Schein zu überbrücken. Dabei vereint und vermittelt der deutsche Begriff „Technik“ die drei Unterbegriffe Technologie (Engl. technology), Technik (Engl. technics) und technisches Verfahren (Engl. technique).
Meiner Meinung nach unterliegt das Thema des zeitgenössischen analog-digitalen Entwerfens einer ganzen Serie von Dichotomien, Bipolaritäten, oder Paradigmen, die einerseits von Theorien des Cybers und des Barocks (eher als der struktur-optimierten Gotik) formuliert werden könnten. Jedoch werden sie zugleich zu einem harmonischen Gesamtbild gebracht, da beide inszenierte Kopplungsstellen (Engl. interfaces bzw. intrafaces) sind:
- Cyber formuliert die Abgrenzung (aber nicht wirklich) zwischen Virtualität und Aktualität, die Entfremdung zwischen System (Artifizielle Intelligenz) und User (und seine Ver- und Entkörperung), zwischen Simulation und Produktion, zwischen Graphik (2D) und Modell (3D), zwischen Tektonik und Poetik, Technologie und Ornamentik, strukturellem Denken und räumlichen Narrativen. Vor allem aber verdeutlicht Cyber die Verschmelzung von Simulation, Animation, Produktion, Reproduktion, Parametern und Eigenschaften, Phantasie und Prognose.
- Auch dem Barock entsprechen Zwiespälte: zwischen Rationalismus (Descartes, Leibniz, Spinoza, Galileo, Kepler) und Empirismus (Erfahrung und sinnliche Wahrnehmung), zwischen klassischer Architektursemantik und spielerischer Theatralinszenierung, zwischen der Leibnizschen totalen Trennung und Selbständigkeit von Fassade (Expression, Empfang, Masse) und Innenraum (Einwirkung, Handlung, Raum), zwischen unten (Materialität, Funktion) und oben (Manier, Vision).
Was jetzt? Ich betrachte unsere Zeit als jene inszenierter künstlicher Paradiese, wo Kunsträume durch virtuoses schichthaftes Layering zwischen flüchtiger Transzendenz und materialisierter Imagination, zwischen Festlichkeit und Festigkeit und zwischen Simulation und Produktion erfunden, gestaltet und präsentiert werden. Wie läßt sich eine solche Polarität von realer Virtualität (Deleuze) und virtueller Realität (Übersättigung durch Medien) anhand der Dichotomie zwischen Festigkeit (Fleischigkeit, Körperlichkeit und zugleich Formlosigkeit der Masse) und Festlichkeit (Abstraktion, Raumauflösung durch Illusion) widerspiegeln?
Ist denn nicht die Ausseinandersetzung mit darstellender Geometrie und visueller Verzerrung als berauschendes Hilfsmittel sowohl dem Barock als auch zeitgenössischer Architektur zuzuschreiben? Vereint nicht die Beschleunigung der Perspektive, Anamorphose und Reliefperspektive sowohl Bewegung und Statik, Verknotung und Geschmeidigkeit, sowie die groteske Plastizität und dennoch elegante Texturierung von Licht und Schatten, dick und dünn? Wurde denn nicht die Falte als entwerferisches Gestaltungsprinzip von Topologien (Multiplizität von Geometrie und Methode) und Entfaltung von Unendlichkeit (Konvolute, Faltung, Illusion) schon argumentiert?
Die „rolling hills“ und „minimal skins“ von „data- und mediascapes verfestigen sich, verknoten sich und türmen sich auf zu imponenten Gebilden: wie jetzt mit Volumen, Licht, Schwerkraft umgehen? Kopplungsstellen können – werden – brechen, knicken, bröckeln, explodieren. In den nächsten Monaten werde ich selbst und mit meinen Studenten auf hybride Entwurfs- und Fertigungsstrategien für den boomenden jedoch identitätsarmen Markt im Nahen und Fernen Osten eingehen. Es würde sich dabei um mehr als eine neue Umsetzung alter arabischer und chinesischer Traditionen handeln, sondern um eine Neuinterpretation antiker architektonischer Gedanken, Geschichten und Traditionen durch moderne Technologien. Praktische Erfahrungen mit Materialien, Firmen und Verfahren, die marcosandmarjan mit den neun computergesteuerten und -hergestelleten ‘Nurbster‘ Installationen gemacht haben, sollten in einen größeren Massstab umgesetzt werden. Exkursionen in Länder, wo z.B. die Sprache des Ornaments semantisch eine grössere Rolle spielt als in Zentraleuropa, bringen selbstverständlicherweise neue Kopplungsstellen zwischen eigener und orstbezogener Identität zum Vorschein.
Mittlerweile ist doch klar, dass sich das Potential, das Architekturvokabular zu erweitern, genau an solchen Reibungsflächen, die am meisten Kultur und Energie produzieren, befindet. So wie die Falte topologische Morphologien hervorbrachte, so kann man nun dank der Interfaces und Intrafaces wieder von Tektonik sprechen. Von Schichtung, von Spaltung, von Überlagerung, von fiktiven Friktionen, fiktiven Fraktionen. Wer dabei apatisch zusieht...
